Buchmesse, es ist soweit
U4, Haltestelle Messe, Festhalle, Buchmesse. Beißend steigt mir der Gestank von Urin in die Nase.
Ist das der Duft der Literatur, das Aroma von tausenden von Büchern? Ich versuche, durch den Mund zu atmen, und die Symbolik, die mir in den Kopf kommt, zu verdrängen.
Eingang Messe, mein Fachbesucherticket wird gescannt, ich darf hinein. Jetzt gehöre ich dazu. Ein angenehmes »Wir«-Gefühl breitet sich aus.
Mit geradem Rücken und erhobenem Kopf marschiere ich weiter. Auch die Buchmenschen sind von der allgegenwärtigen Terrorbedrohung nicht verschont. Meine sorgfältig gepackte Tasche wird durchsucht. Der blaubehandschuhte Sicherheitsmann hat nichts zu beanstanden, ich darf mit dem Messeshuttle zu den Hallen fahren.
»Halle 3, 4 und 5«, leiert der Fahrer emotionslos herunter.
Bis zu meinem ersten Termin ist noch Zeit. Ich gönne mir den Luxus, über den großen Platz zwischen den Hallen zu schlendern. Es duftet nach belgischen Fritten, Biobratwurst (riecht die anders als herkömmliche?), Crêpes und Kaffee. Im Nieselregen sind nur die Plätze unter den Schirmen besetzt. Mädchen mit Haaren in Regenbogenfarben und schrillen Klamotten hocken kichernd in Gruppen zusammen. Auf grünen Sitzsäcken ignorieren lässige Typen mit Rastafrisuren die Nässe. Businessgestylte, taffe Frauen stöckeln, in wichtige Gespräche mit Anzugtypen vertieft, von einer Halle in die nächste. Mein Kinn sinkt etwas auf die Brust, mein Rücken verliert an Streckung. Dann ermahne ich mich, dass ich hier ja lernen will.
Auf der fbm15 habe ich, ausgestattet mit Mappen, Gespräche mit Verlagen gesucht, Kontakte angebahnt, vermeintliches Interesse hervorgerufen. Nach der Messe unzählige Mails verschickt, mich auf die »angenehmen« Gespräche bezogen und – Monate später – zahllose Absagen erhalten.
Unterwegs auf der FBM16
Auf der fbm16 ist die Self-Publishing-Area mein Hauptaufenthaltsort, mein Buchmessemekka. Erste Anlaufstelle ist der Workshop »Kinderbücher im Selbstverlag mit Kindle Direct Publishing und CreateSpace«. »Kindle Kids Book Creator« und CreateSpace werden von einem Kinderbuchautor erläutert. Mein schüchterner Einwand am Ende des Vortrags, ich könne keinen Unterschied zwischen CreateSpace und Kids Book Creator erkennen, beantwortete der Vortragende mit: »Es gibt keinen Unterschied«. 45 Minuten vergeudet.
Weiter geht es.
»Self-Publisher und der stationäre Buchhandel«, eine Veranstaltung von epubli.
Der erste Eindruck ist positiv, das muss ich im Detail recherchieren. Verstanden habe ich, dass es nur funktioniert, wenn ich mein Buch bei ihnen veröffentliche, und dass es mal wieder Geld kostet, in die Regale der Buchhandlungen zu kommen.
Der Verdacht, dass ich nur Verkaufsvorträgen für Software lausche, breitet sich in meinem Autorenhirn aus. Frustriert giere ich nach frischer Luft, Kaffee und etwas Süßem.
Gestärkt und motiviert breche ich von der Agora in ein mir völlig unbekanntes Land auf. Blogger-Future-Place steht auf meinem Programm.
Im »Orbanism Space« in Halle 4.1 haben sich junge Leute versammelt, sehr junge Leute. Sie sitzen auf bereitgestellten Hockern, zum größten Teil aber auf dem Fußboden, die Smartphones fest umklammert, und blicken auf ein Podium. Es wird über Networking und Social Media gesprochen, und es wird getwittert. Ich staune, wie die versammelten Blogger es schaffen, zuzuhören und gleichzeitig zu twittern. Ich fühle mich fremd, fehl am Platz, und vor allem sehr alt. Ich bin Autorin und ja, ich habe auch einen Blog und sogar einen Twitteraccount, aber das hier …? Das begeisterte Aufspringen der Moderatorin, begleitet von dem beglückten Ausruf »Wir sind in den Twittertrends«, lässt meine dunkle Ahnung zur Überzeugung reifen. Das ist nicht meine Welt.
Meine kleine Buchmessenwelt
Ich freue mich auf meine Verabredung mit einer langjährigen Bekannten, der Verlegerin Sonia Lauinger, Inhaberin des Kleinen Buch Verlags. Wir treffen uns jedes Jahr auf der Frankfurter Buchmesse, essen Pommes und quatschen über Probleme unsere Projekte und natürlich über Bücher. Wir nennen es »Literatur mit Pommes«, es ist immer eines meiner Lieblingsevents. Mitten im Gespräch klingelt mein Handy, ich habe die Zeit vergessen, das Treffen mit meiner lieben Freundin Manuela Inusa, Autorin von »Jane Austen bleibt zum Frühstück«, erschienen im Blanvalet Verlag, steht an, und sie sucht mich bereits. Ich lotse sie zum Kaffeestand und wir ziehen gemeinsam weiter, um unserer Freundin Mirjam Hüberli, Autorin beim Drachenmond und Carlsen Verlag, zu besuchen. Unsere Wiedersehensfreunde ist überschwänglich, wir knuddeln und drücken uns, lachen und berichten vom zurückliegenden Jahr. Natürlich machen wir ein Selfie und schicken uns es gegenseitig. Als ich dafür mein Smartphone aus der Tasche ziehe, leuchtet das Twitterbanner. Ich öffne und lese den Tweet unter dem #bfp16: »Twittertrend Platz 1!« Ich lächle, wechsel zu WhatsApp und versende das Foto von drei strahlenden Autorinnen an meine beiden Freundinnen. Ich bin glücklich in meiner Welt auf der #fbm16
PS: Nur der Kater fehlt mir sehr. Katzen hatten keinen Zutritt.